After #gamergate – Politische Jugendbildungsarbeit, die nicht geklappt hat – und aus der wir lernen können

von Christian Kirschner und Dana Meyer

„It’s a privilege party and most of you are not invited“ [1]

Manchmal wird aus den tollsten Projektvorhaben – trotz finanzieller Ressourcen, kompetenter Projektpartnerinnen und attraktiver Infrastruktur – einfach mal nichts! Warum? Weil auch erfahrene Akteurinnen der politischen Jugendbildung nicht immer den Nagel auf den Kopf treffen, vor allem wenn es um (jugend-)kulturelle, szenespezifische Themen geht. Dies durfte der Fachbereich Politische Bildung bei basa e. V. | Bildungsstätte Alte Schule Anspach 2016 erleben. Wir hatten eine tolle Projektidee zum Thema Sexismus im Gaming, ein erfahrenes Team und – wenn auch recht kurzfristig – sogar eine Finanzierung. Doch das Projekt ist nicht so gelaufen, wie wir hofften. Worum ging es im Projekt? Was war die Idee? Und ja, es ist schiefgegangen, aber warum? Und wie ging/geht es seither weiter?

Das Projekt wollte #gamergate und dessen Nachwirkungen thematisieren. #gamergate bezieht sich auf eine Abfolge von Ereignissen in der Spieleszene zwischen 2012 und 2014 in den USA, in der es um Sexismus, Hassrede und sogar Vergewaltigungs- und Morddrohungen ging. Da Diskussionen in der Spieleszene nicht auf die USA beschränkt sind, hatten die Ereignisse um #gamergate auch Auswirkungen auf die deutsche Spieleszene. Die Debatte polarisierte enorm. Einerseits ging es um Spieldesign und die Frage, welche Rolle darin Frauen* [2] bzw. weiblich gelesene Körper einnehmen, sowie um die Situation von Spielerinnen*. Andererseits ging es überhaupt nicht um Videospiele, sondern viel allgemeiner um Hassrede im Internet. Zoë Quinn, Spieleentwicklerin und Programmiererin, die im Zentrum der Auseinandersetzung stand und massiv belästigt wurde, kommentierte später: „It was a flash point for radicalized online hatred that had a long list of targets before.“ 3 (Quinn 2017, 5)

Vier Jahre nach Beginn des „Phänomens“ – es ist in der Tat schwierig, einen angemessenen Begriff zu finden, der die Gemengelage an Diskussionen, Verunglimpfungen, Beleidigungen, Drohungen usw. zusammenfasst, daher probieren wir es mal vorsichtig mit „Phänomen“ (ebd., 4) – wollten wir gemeinsam mit spielaffinen Jugendlichen und relevanten Akteurinnen aus der Let’s-Play-Szene schauen, wie der Stand der Dinge ist. Und wie wir weitermachen können. Ziel im Kontext politischer Bildung war es herauszustellen, dass es in der Spieleszene auch um Privilegien geht und dass viele Menschen an dieser „Privilegienparty“ nicht teilnehmen dürfen, weil sie nicht eingeladen sind – so zumindest formulierte es die feministische Medienkritikerin, Spielerin und Videobloggerin Anita Sarkeesian (YouTube-Kanal: feministfrequency ). Oder anders: Die Spieleszene ist – egal ob on- oder offline – Teil von Gesellschaft und ist von den gleichen Disparitäten und Ausschlüssen durchzogen. Das wollten wir sicht- und besprechbar machen, indem die Teilnehmenden im Rahmen einer Veranstaltung gemeinsam mit Let’s-Playerinnen kurze Webvideos zum Umgang mit hate speech, Sexismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) produzieren und veröffentlichen.

Hexenjagd, Clown-Convention oder Nickelback-Marathon?

Sechs Jahre sind eine Ewigkeit in der Geschichtsschreibung des Internets. Wir möchten insofern in gebotener Kürze und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammenfassen, worum es bei #gamergate überhaupt ging. Alles begann mit einem Blogeintrag. Der Exfreund der Spieleentwicklerin Zoë Quinn warf ihr in seinem Blog vor, im Tausch für positive Spiele-Reviews mit Spielejournalisten geschlafen zu haben. Eine Aussage, die zwar in kürzester Zeit widerlegt wurde, aber trotzdem die größte Hasskampagne lostrat, die die Spieleszene je gesehen hat. Es entbrannte eine hitzige Debatte über Bestechungen und „Bettgeflüster“ im Spielejournalismus. Unter dem Vorwand, sich für „Ethik im Videospieljournalismus“ einzusetzen, entstand eine öffentliche Schlammschlacht und machte das Hashtag #gamergate über Monate hinweg zu einem globalen Trend. Es wurden unzählige Videos, Tweets, Blogbeiträge usw. produziert, die Zoë Quinn für alle möglichen Dinge verurteilten – auch für Dinge, die nichts mit ihr zu tun hatten. Personen, die sich mit Quinn solidarisierten oder sich nur kritisch mit Sexismus in Videospielen beschäftigten, gerieten sofort in den Fokus der Schmutzkampagne. Insbesondere Entwicklerinnen* und Journalistinnen* erfuhren Todes- und Vergewaltigungsdrohungen in den sozialen Medien.

Mediale Aufmerksamkeit erlangte #gamergate insbesondere durch Phänomene wie doxxing, swatting und Bombendrohungen. Doxxing bedeutet das Entwenden persönlicher Daten, z. B. durch hacking, und deren öffentliche Verbreitung. Es werden Privatadressen, Fotos, Konto- und Sozialversicherungsdaten in Erfahrung gebracht und einer breiten Masse zur Verfügung gestellt. Dadurch bewegt sich die Onlinekampagne aus dem digitalen Raum heraus und dringt tief in die Leben der Betroffenen ein. Mit swatting ist das Rufen der Polizei zur Privatadresse der Betroffenen mit der Unterstellung einer Straftat gemeint. Oft wird angegeben, die Betroffenen seien „armed and dangerous“, also gewaltbereit, was zu verschärften Maßnahmen seitens der Polizei beim Zugriff führt: Es werden Straßen abgesperrt, Türen mit gezogener Waffe eingetreten und Personen festgesetzt – und das Vorgehen wird zudem teils öffentlichkeitswirksam dokumentiert.

Anita Sarkeesian, bekannt durch das Videoprojekt Feminist Frequency und ihre feministische Kritik an Videospielen, [4] war schon vorher ein populäres Ziel reaktionärer Hasskampagnen. Sie unterstützte Zoë Quinn öffentlich, was sie erneut ins Visier der Haterinnen rückte. Bei öffentlichen Auftritten bekamen und bekommen die Veranstalterinnen regelmäßig Bombendrohungen. Wie ABC News berichtete, wird zusätzlicher Polizeischutz gebraucht und enormer Druck ausgeübt. Sponsorinnen von kritischen Spielewebsites wurden angeschrieben, damit sie den Sites ihre Unterstützung entziehen. Daneben wurden Blacklists von Websites, Journalistinnen und Twitteraccounts erstellt, was letztlich die tiefe Spaltung in der Szene sichtbar machte. Nicht zuletzt spielten die Plattformen und Akteur*innen der Alt-right-Bewegung eine wichtige Rolle in dieser Hasskampagne, weshalb nicht wenige im Agitieren und Hetzen rund um #gamergate einen wichtigen Schritt Trumps zur Präsidentschaft sehen (vgl. CBC 2017 ).

Quinn beschreibt #gamergate und alles, was folgt, als hasserfüllte Hexenjagd. Anita Sarkeesian spricht 2017 retrospektiv zynisch von einer „Clown-Convention“ (verstanden als Treffen von Horrorclowns) oder einem „24-Stunden-Nickelback-Marathon“ (verstanden als Folter, so schlimm wie 24 Stunden lang Musik der Band Nickelback hören) (vgl. Feminist Frequency 2018). Eins ist klar: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit artikuliert sich in dieser Debatte in jeder erdenklichen Art und Weise. [5] Und gerade das zeigt, dass #gamergate mehr als ein Phänomen in der Spieleszene war und ist.

Antrag, Ansprachen, Absagen

#gamergate brachte uns schließlich auf die Idee, Jugendliche zusammenzubringen, mediale Inhalte zu produzieren und zusammen mit bekannten Let’s-Playerinnen zu verbreiten. Das Projekt wollte den Austausch zu Fragen von (nicht) sexistischem Gamedesign und hate speech online und offline fördern. Wir setzten vor allem auf einen Peer-to-peer-Ansatz und wollten das Lernen voneinander ermöglichen. Der Austausch sollte in konkreten Strategien und Handlungsoptionen zur Entwicklung solidarischer Verhaltensweisen im digitalen Raum und in Maßnahmen zur Bekämpfung von hate speech münden. Gemeinsam mit Let’s-Playerinnen sollten die Teilnehmenden Kurzbeiträge und Videostatements zu hate speech und Sexismus produzieren, die im Nachgang der Veranstaltung veröffentlicht werden sollten. So wurde ein Projektteam zusammengestellt, das sowohl Barcamp- als auch Gamingerfahrungen mitbrachte, und ein entsprechender Antrag an die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zur Förderung des Barcamps auf den Weg gebracht. Der Bewilligung des Antrags folgte als Erstes die Akquise der Let’s-Playerinnen. Let’s-Plays sind populäre Webvideoformate. Im Regelfall filmen sich Spielerinnen beim Spielen eines Spiels und kommentieren, was sie sehen, empfinden und tun. Das unterhaltsame Kommentieren und Beschreiben steht bei Let’s-Plays oft im Vordergrund. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht lässt sich dieses Videoformat als Diskursort beschreiben, an dem Spiele nicht nur rezensiert, sondern vielmehr aus der individuellen Perspektive der jeweiligen Let’s-Playerinnen in ihrer gesellschaftlichen Wirkung und Bedeutung verhandelt werden – wenn auch nicht immer sonderlich reflektiert. Wie andere YouTube-Stars haben auch bekannte Let’s-Playerinnen eine unglaubliche Reichweite: Gronkh etwa hat 4,8  Millionen Abonnentinnen und 2,8 Milliarden Videoaufrufe. Let’s-Playerinnen sollten mit ihren Kanälen sowohl als Expert*innen in unserer Veranstaltung auftreten als auch Anreize bei der Teilnehmendenakquise schaffen.

Wir wollten vor allem weibliche* YouTube-Aktive einbinden, um der männlich* dominierten Gaming- und Let’s-Play-Szene etwas entgegenzusetzen. Wir nahmen Kontakt zu den weniger bekannten Let’s-Playerinnen* bzw. zu deren Managements und einer bekannten Let’s-Playerinnen-Agentur auf, die bei der Korrespondenz mit den YouTube-Stars Unterstützung anbot. Leider folgte jedoch keine Reaktion. Es gab auch keine Antworten auf Mailanfragen und Rückrufe. Entsprechend wurden sowohl unsere Ansprechpartnerinnen im Netzwerk als auch die einzelnen Let’s-Playerinnen wiederholt kontaktiert. Und dann gab es tatsächlich Rückmeldung von zwei Personen. Beide jungen Frauen zeigten Interesse am Projekt, befürworteten das Vorhaben, wollten aber selbst nicht teilnehmen. Auf das Bemühen seitens des Projektteams, in einen Austausch zu kommen oder Fragen zu klären, gab es leider keine weiteren Reaktionen. Ähnliches vermeldete kurze Zeit später dann auch die Agentur. Alle angefragten Personen hätten kein Interesse, an der Veranstaltung teilzunehmen. Die Begründungen waren terminliche Überschneidungen und das Honorar, das aus Sicht der angefragten Personen viel zu gering sei. Rückmeldungen von unterschiedlichen Seiten machten uns aber auch klar, dass viele Akteur*innen, insbesondere aufgrund der massiven Auseinandersetzung rund um das Phänomen #gamergate, nur wenig Interesse an einer politischen Positionierung hatten – nicht zuletzt aus Angst vor vor den Konsequenzen.

Das Projektteam suchte nach neuen Handlungsoptionen und tauschte sich mit Medien- und Szeneexpertinnen aus. Wir begaben uns auf eine erste Fehlersuche. In diesem Zusammenhang wandten wir uns auch Rat suchend an die bpb. In Absprache entschieden wir gemeinsam, das Vorhaben anzupassen. So beendete das Team die Akquise der Let’s-Playerinnen und kontaktierte andere, für Gamerinnen möglichst interessante Akteurinnen. Hier kamen Bloggerinnen, Spielejournalistinnen, Entwicklerinnen usw. infrage. Ziel war es nun, ein breites, attraktives Sessionangebot zu gewährleisten. Der spielerische, kreative Austausch sollte nun mehr in den Vordergrund gerückt werden, während der bisweilen abschreckende politische Diskurs etwas mehr in den Hintergrund treten sollte. Hiermit wollten wir vor allem die Hürde zur Teilnahme an einer politischen Bildungsveranstaltung absenken und gleichzeitig der in diesem Feld existierenden Tabuisierung der Sexismusthematik Rechnung tragen. Es folgten weitere Ernüchterungen: Bloggerinnen waren erst interessiert, dann aber plötzlich doch von der Bildfläche verschwunden. Kontakte rissen immer wieder ab. Gleiches geschah bei bekannten journalistischen Plattformen mit Videospielfokus.

Einzig und allein die schon von Anfang an kontaktierte Szeneexpertin* und eine dem Projektteam bekannte Illustratorin*, die sich auf geschlechterreflektierte und stereotypenkritische Illustrationen spezialisiert hat, konnten fix für das Barcamp gewonnen werden. Gemeinsam mit beiden Frauen* waren wir bereit, einige sehr attraktive Sessionangebote zu kreieren, und konnten mit der Teilnehmendenakquise für die Veranstaltung endlich beginnen. Es folgte eine umfangreiche, bundesweite Werbeaktion mit dem Titel #aftergamergate inklusive Einbindung von zentralen Mediennetzwerken und Jugendverbänden sowie Verbreitung der Ankündigung bei Gamingplattformen.

Nachdem sich aber nach einiger Zeit nur eine einzige Person anmeldete, bemühten wir uns auch um entferntere Zielgruppen und sprachen Organisationen wie Fachhochschulen und Akademien mit Angeboten im Bereich Gamedesign, Genderfachstellen und Hochschulen mit Angeboten im Bereich Genderstudies an. Wir platzierten die Ankündigung in der Barcampszene und sprachen deren Protagonistinnen im Bildungssektor an. Die Ansprache dieser Netzwerke und Institutionen erfolgte nicht nur per E-Mail, sondern auch auf telefonischem Wege und persönlich vis-à-vis. Leider führten die Bemühungen nicht zu einem Anstieg der Teilnehmendenzahl. Daher schien eine Absage des Vorhabens nun unumgänglich zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hatten aber sowohl die gewonnenen Referentinnen als auch das Projektteam bereits umfangreiche und wertvolle Vorarbeiten geleistet. Neben einem Eröffnungsvortrag der Szeneexpertin* waren bereits Sessions konzipiert und das Rahmenprogramm vorbereitet. Im Rahmen der Vorbereitungen konnte das Team selbst umfangreiche Erkenntnisse zum Gegenstand erlangen. Um das gesammelte Wissen, die entwickelten Methoden und gewonnenen Referent*innen mit der Absage nicht in der Schublade verschwinden zu lassen, entschieden wir uns für ein ausführliches Treffen, um die gemachten Beobachtungen und Erkenntnisse ausgiebig zu reflektieren.

Zeit für eine Lehrstunde

Von Anfang an war das Team hoch motiviert, sich dieses spannenden Projekts anzunehmen. Die Recherchen liefen gut und die Ideen sowie das Konzept kamen allen unglaublich attraktiv vor. Kaum ein Mitglied des Projektteams hatte mit den Komplikationen gerechnet, mit denen das Vorhaben schon kurz nach dem Start konfrontiert wurde.

Auch Probleme wurden schnell erkannt und es wurde gegengesteuert. Wir tauschten uns sowohl intern als auch mit Medien- und Szeneexpert*innen aus und zeigten uns sehr selbstkritisch in der Reflexion des Prozesses. Insgesamt gesehen liefen einige Aspekte des Projektes daher ganz gut, aber einiges eben auch nicht. Genau diese Punkte wollen wir benennen:

Wir haben das Interesse der Zielgruppe am Thema deutlich überschätzt. Gaming ist eben nicht unbedingt ein Medium, um über gesellschaftspolitische Verhältnisse ins Gespräch zu kommen, auch wenn sie sich darin genuin widerspiegeln oder in sie verstrickt sind. Viele Spieler*innen wollen einfach „in Ruhe“ spielen.

Wir haben aber auch das exkludierende Potenzial gesellschaftspolitischer Positionierung und politischer Artikulation innerhalb der Szene deutlich unterschätzt. Die Absagen oder Nichtreaktionen der Let’s-Playerinnen und Gamerinnen liegen neben den monetären Aspekten auch in der Furcht begründet, eine Auseinandersetzung oder Positionierung könne bei diesem Thema rufschädigend sein. Auch gibt es die berechtigte Angst vor öffentlicher Demütigung, Diskreditierung und Bedrohung durch Gamergaterinnen. Auch bei einem kleinen Bildungsprojekt sind die realen gesellschaftlichen Verhältnisse eben nicht außen vor. Da wir den Let’s-Playerinnen mit der überschaubaren Förderung weder Communitymanagement noch Beratung über die Veranstaltung hinaus anbieten konnten, schufen wir keinen geschützten Raum für die Auseinandersetzung. Sexismus und hate speech, die wir mit dem Projekt thematisieren wollten, haben genau diese Auseinandersetzung verhindert.

Zudem gab es konzeptionelle Fehler. Das Team selbst war sehr videospielaffin und im Genderdiskurs verortet. Aber diese Affinität reichte möglicherweise nicht aus, um eine Szene zu verstehen und gezielt ansprechen zu können. Gerade der Bezug zur Let’s-Play-Szene war nicht gegeben. Darüber hinaus hätte das Projekt viel mehr Vorlaufzeit gebraucht, um Netzwerke und Kooperationen aufbauen zu können. Im optimalen Fall hätten wir das Projekt gemeinsam mit der Zielgruppe partizipativ konzipiert. Aber die Möglichkeit der Förderung des Projekts ergab sich kurzfristig mit lediglich 8 Wochen Vorlauf und wir nutzten die Gelegenheit. Jetzt müssen wir leider sagen, dass es uns nicht gelungen ist, mit einem Konzept der politischen Bildung spielaffine Jugendliche entlang der Themen Let’s-Play und #gamergate zu erreichen und Sexismus und hate speech zu thematisieren.

We have hope. Rebellions are built on hope.  [6]

Wir haben viel aus dem Projekt gelernt. Und wir glauben weiter daran, dass wir an den Themen Sexismus, Gaming und Webvideo dranbleiben müssen. Und damit nicht genug: Heute würden wir diese Auseinandersetzung um die intersektionale Ebene ergänzen und z. B. auch auf Rassismen und die Leerstelle Schwarzer Frauen* im Diskurs eingehen wollen. Klar, wir sind weiter im Austausch mit den Beteiligten und überlegen, ob und wie wir einen weiteren Versuch starten. Wir haben neue Seminare und Seminarformate zum Thema hate speech, Medienkritik und Sexismus entwickelt und durchgeführt. Wir legen unseren Fokus auf gamification und versuchen weiter, spielaffine Jugendliche zu erreichen. Wir arbeiten auch an Zugängen über andere in der Gamingszene bekannte Formate wie LARP (= live action role playing) und Cosplay. Aber auch Escape-Rooms und Augmented-Reality-Games werden bei uns entwickelt.

Aus unseren Erkenntnissen und Erfahrungen werden zudem weitere Bildungsaufträge ersichtlich. Einerseits zeigte sich ein Bedarf an empowernden Angeboten für Frauen* in der Gamingszene – in einem geschützten Rahmen. Andererseits scheint eine Vernetzung und Förderung derjenigen notwendig, die die Machtstrukturen des gameaffinen digitalen Raums aufdecken und aufbrechen wollen.

Aber auch was #gamergate selbst angeht, gibt es Positives zu berichten: Feminist Frequency hat sich von einer kleinen, ständigem Hass ausgesetzten Initiative zu einer über Crowdfunding gut finanzierten Organisation mit echter Reichweite und nachhaltigem Einfluss entwickelt. Mit ihren Videos leistet sie einen großartigen Beitrag für mehr feministische Perspektiven in der Videospieleszene. Zoë Quinn hat das Crash Override Network gegründet, das von Onlinemissbrauch Betroffenen Unterstützung in beraterischen wie technischen Belangen bietet. Im deutschsprachigen Raum gibt es leider noch keine Angebote dieser Art. [7] Hier braucht es Unterstützung und Rückhalt für die Aktiven der Szene. Für mehr Hoffnung und für mehr Rebellion.

Autor und Autorin

Christian Kirschner ist Referent für politische Bildung bei basa e. V. Er arbeitete bereits in zahlreichen Einrichtungen und Verbänden der außerschulischen politischen Bildungsarbeit in ganz Deutschland. Sein gegenwärtiger Schwerpunkt liegt im Bereich Digitalisierung, informationelle Selbstbestimmung, Medienarbeit und Didaktik der politischen Bildung. Er legt großen Wert auf interdisziplinäre Netzwerkarbeit und entwickelt stetig neue Methoden für das außerschulische Feld.

Dana Meyer ist Referentin für politische Bildung bei basa e. V. Seit rund 10 Jahren ist sie bundesweit in der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung tätig. Sie spezialisierte sich vor allem auf die Sensibilisierung für Ungleichwertigkeitsideologien, Partizipation und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Förderung lebensweltorientierter Bildung.

Quellen

[1] „Das ist eine Privilegienparty und die meisten von euch sind nicht eingeladen!“ (Übersetzung durch Redaktion)

[2] Das Gendersternchen zur reflektierten Sprache im Kontext von geschlechtlicher Vielfalt wird hier auch zur Kennzeichnung sozialer Konstruktionen von Geschlechtszuschreibungen genutzt. Das „*“ als Ergänzung zu den Begriffen „Frauen“ und „Männer“ macht deutlich, dass es sich hierbei um sozial konstruierte Kategorien handelt und die Begriffe keiner biologistischen Zuschreibung folgen.

[3] „Dies war ein Brennpunkt für radikalisierten Onlinehass, der schon vorher eine lange Liste von Zielen hatte.“ (Übersetzung durch Redaktion)

[4] Besonders wichtig und sehenswert in diesem Zusammenhang ist die Videoreihe „Damsel in Distress “ von Anita Sarkeesian.

[5] Zoë Quinns Perspektiven finden sich in ihrem Buch (2017) und als sehr gute Zusammenfassung in ihrer Buchvorstellung .

[6] „Wir haben Hoffnung. Aufstände bauen auf Hoffnung.“ (Übersetzung durch Redaktion)

[7] Im Bereich hate speech gibt es bereits einige Angebote und Aktionen im deutschsprachigen Onlineraum, etwa #ichbinhier . Diese decken aber weder Videospiele noch den technischen und den Nichtonlinebereich bei Onlineübergriffen ab.